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19Jul/110

Testen Sie ihre Kreativität…

 Betrachten Sie das folgende Video und zählen Sie genau mit, wie viele Pässe das Team mit den weißen Trikots macht. Was es mit diesem Video auf sich hat und was das ganze nun mit Kreativität zu tun haben soll, erfahren Sie im Anschluss an das Video!

Ganz ehrlich – beim ersten Mal hab ich den Bären auch nicht gesehen! Auch wenn ich das im Nachhinein fast nicht glauben kann.

 Was steckt aber dahinter? Warum blenden wir Dinge einfach aus?

Die amerikanische Neurowissenschaftlerin und Psychologin Shelly Carlson beschäftigt sich schon sehr lange und intensiv mit dem Phänomen besonders kreativer Menschen.

In ihrem richtungsweisenden Experiment setzte Carson eine Reihe von Versuchspersonen in einen Raum. Die Kandidaten, vorwiegend Studenten, waren handverlesen, nach langen Vortests und eingehender Beobachtung ihres Verhaltens ausgewählt worden. Die erste Gruppe bestand aus Personen, die jede noch so tumbe Tätigkeit ohne großes Murren erledigten.

Sie waren in der Lage, vorgegebene Aufgaben mit Gleichmut abzuarbeiten. Eigenständiges Denken lag ihnen nicht besonders. Sie lernten brav, in der Regel auswendig, was man ihnen vorgab, ohne große Zweifel an den ihnen vorgelegten Inhalten zu äußern. Konfrontierte man sie mit einem neuen Problem, herrschte in der Regel Flaute im Oberstübchen.

Die zweite Gruppe hingegen stellte Carson aus auffällig kreativen Studenten zusammen. Ihre schöpferische Begabung war auch ohne Vortests klar erkennbar. Sie gehörten zu der – bei Professoren nicht zwingend beliebten – Kategorie derjenigen, die nahezu alles hinterfragten, was man ihnen vorlegte, und die sich auch nicht mit einfachen, vorkonfektionierten Antworten abspeisen ließen. Carson ließ nun den Versuchspersonen über Kopfhörer einen Text vorlesen, in dem gelegentlich absurde Begriffe auftauchten, Fantasiewörter. Die sollten die Testpersonen nun zählen. Das wurde den Probanden auch so mitgeteilt.

Doch das eigentliche Experiment lief – heimtückischerweise – im Hintergrund ab. Die Versuchspersonen hörten nämlich nicht nur die klare Stimme des Sprechers, der die angekündigte Aufgabe verlas, sondern immer wieder auch störende Hintergrundgeräusche.

Mit dem Ergebnis des Versuchs war die Hirnforscherin höchst zufrieden. Es kam, wie es kommen musste. Die erste Testgruppe registrierte die Störung praktisch nicht. Sie zählten, wie es ihnen geheißen wurde, die falschen Begriffe wie Erbsen, und auch ihr Gesichtsausdruck änderte sich kaum, wenn Störgeräusche auftraten. Sie erwiesen sich als perfekt geschlossene Systeme, Menschen, wie geschaffen für Fließbänder, Buchhaltungstabellen und zur Formularbearbeitung.

Die Mitglieder von Gruppe zwei hingegen versagten. Schon einige Störungen genügten, um sie völlig aus dem Konzept zu bringen. Die wenigen unter ihnen, die mit aufgefasertem Nervenkostüm den Test zu Ende führen konnten, wiesen eine exorbitante Fehlerquote auf.

Die Wissenschaftlerin fand bestätigt, was in den siebziger Jahren schon von ihrem Kollegen Hans Eysenck vermutet worden war: Kreative sind deshalb kreativ, weil ihr Gehirn auf Sinnesreize aller Art höchst offen reagiert. In durchschnittlichen Oberstübchen sorgt ein Mechanismus namens „latente Hemmung“ dafür, dass Reize von außen mehr oder weniger abgeblockt werden. Menschen mit ausgeprägter latenter Hemmung sind durch nichts aus der Ruhe zu bringen und von ihren Routinen abzulenken. Unbekanntes, Neues – das perlt an ihnen ab wie Wasser auf frischem Lack. Ganz anders ist da das Denkorgan von Kreativen geschaltet. Die latente Hemmung ist schwach entwickelt, das Gehirn ist auf 360 Grad offen, zu allem bereit, rund um die Uhr.

Jetzt kann man aber sicher nicht alle in einen Topf schmeißen. Das würde ja bedeuten, dass alle, die den Bär im Video nicht gesehen haben, nur wenig kreativ sind. Nein – der Kopf setzt die Rahmenbedingungen für kreative Arbeit. Das Bewusstsein bestimmt somit die Zugehörigkeit zur „kreativen Klasse“. Auch Menschen mit den besten Voraussetzungen (mit hoher Empfindlichkeit gegenüber Störungen) kreativ zu sein, schaffen es häufig aber doch nicht, weil die Rahmenbedingungen nicht gegeben sind oder das Bewusstsein schlichtweg fehlt. Deshalb ist die Frage, die sich mir im Zusammenhang mit Kreativität stellt, folgende: Orientieren wir uns an der bekannten Welt von gestern oder beschäftigen wir uns lieber mit der Welt, die gerade entsteht?

 Mehr zum Thema der „Gestörten“ und „Gehemmten“ ist im Artikel der Ideenwirtschaft (05/2007) nachzulesen: Die Gestörten

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